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Rechtsstellung und Befugnisse der Sachwalter in der provisorischen Nachlassstundung der Petroplus Refining Cressier SA

A. Allgemeine Fragen zur Rechtswirksamkeit und Wirkung der richterlich verfügten Nachlassstundung

1. Wer hat über das Nachlassstundungsgesuch befunden?

Die Nachlassstundungsgesuche sind vom Nachlassrichter des Gerichts Littoral und Val-de-Travers des Kantons Neuenburg mit Entscheid vom 31. Januar 2012 provisorisch für zwei Monate gutgeheissen worden.

 

2. Was unterscheidet eine provisorische Nachlassstundung von einer definitiven?

Mit der Bewilligung einer provisorischen Nachlassstundung gibt der Richter dem Schuldner zwei Monate Zeit, die Grundlagen zum Gesuch für die Bewilligung der definitiven Nachlassstundung zu ergänzen. Die provisorischen Sachwalter unterstützen den Richter bei der Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen durch Ablieferung eines Berichts und Sicherstellung der Gläubigerrechte bis zum definitiven Richterentscheid.

3. Ist diese Verfügung in Rechtskraft erwachsen?

Ja, es besteht aber die Möglichkeit sie innert 10 Tagen beim Obergericht des Kantons Neuenburg anzufechten. Die Anfechtung hätte keine aufschiebende Wirkung, wenn das Obergericht nicht ausdrücklich etwas anderes anordnet.

4. Wer ist berechtigt diese Verfügung anzufechten?

Der Nachlassschuldner und – in Bezug auf die Ernennung der Sachwalter – jeder Gläubiger des Nachlassschuldners.

5. Was bewirkt diese Verfügung?

Es können innerhalb des Hoheitsgebietes der Schweiz keine Vollstreckungshandlungen mehr gegen das Vermögen des Schuldners vorgenommen werden.

 

Nach wie vor sind allerdings die Betreibung auf Pfändung für die Forderungen der ersten Klasse und die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen möglich. Pfänder können aber vorläufig nicht verwertet werden.

6. Sind demzufolge Zugriffe auf das Vermögen des Schuldners ausserhalb der Schweiz möglich?

Grundsätzlich will eine Nachlassstundung in der Schweiz auch Vermögensstücke im Ausland erfassen. Ob eine solche Wirkung im Ausland anerkannt wird, entscheidet sich nach anwendbarem ausländischen Recht.

7. Kann der Schuldner noch über sein Vermögen verfügen?

Grundsätzlich nein, er braucht dazu die Zustimmung der Sachwalter und in gewissen Fällen die Genehmigung des Richters. Der Schuldner kann und muss jedoch alle Handlungen des täglichen Geschäftsbetriebs im Rahmen der Anordnungen des Nachlassrichters vornehmen. Er untersteht dabei der Aufsicht der Sachwalter.

B. Fragen zur Person und zu den Kompetenzen der provisorischen Sachwalter

8. Wer sind die provisorischen Sachwalter?

Rechtsanwalt Vincent Jeanneret von der Anwaltskanzlei Schellenberg Wittmer und Rechtsanwältin Brigitte Umbach-Spahn von der Anwaltskanzlei Wenger Plattner.

9. Kann die Ernennung der provisorischen Sachverwalter angefochten werden?

Durch Rekurs an das Neuenburger Obergericht. Der Rekurs hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung.

10. Welche Aufgaben und Kompetenzen haben die provisorischen Sachwalter gemäss richterlicher Verfügung?

Das Mandat der provisorischen Sachwalter ist Rechtsanwalt Vincent Jeanneret und Rechtsanwältin Brigitte Umbach-Spahn provisorisch übertragen worden. Sie beaufsichtigen die Geschäftstätigkeit des Schuldners. Ausserdem haben die provisorischen Sachwalter «die Vermögens- Ertrags- oder Einkommenslage des Schuldners und die Aussicht auf Sanierung» zu beurteilen. Sie haben dafür knapp zwei Monate Zeit, um dem Richter einen entsprechenden Bericht abzuliefern. Der Richter hat dann das Stundungsgesuch zu bewilligen, wenn er aufgrund seiner Lagebeurteilung zum Schluss kommt, dass der Abschluss eines Nachlassvertrags möglich ist.

11. Was tut der Richter mit dem Bericht der provisorischen Sachwalter?

Er hat die Pflicht, auf der Grundlage des Nachlassstundungsgesuchs und des Berichts der provisorischen Sachwalter, und allenfalls nach Anhörung weiterer Personen, zu beurteilen, ob das Nachlassstundungsgesuch definitiv zu bewilligen ist.

12. Im Fall der Petroplus-Gruppe ist schuldnerisches Vermögen im Ausland gelegen; was geschieht mit diesem Vermögen?

Die Zugriffsmöglichkeit des schweizerischen Richters und der schweizerischen provisorischen Sachwalter kann durch Anordnung ausländischer Gerichte und Behörden beschränkt werden. Es ist dabei denkbar, dass es zu Kompetenzkonflikten kommt.

13. Es kann doch nicht sein, dass Personal, Kunden und Lieferanten im Regen stehen gelassen werden!

Das Gesetz sieht vor, dass nach Verhängung der Nachlassstundung alle finanziellen Ansprüche von betroffenen Personen von den provisorischen Sachwaltern inventarisiert werden. Eine materielle Prüfung dieser Ansprüche findet grundsätzlich erst in einer späteren Phase des Nachlassverfahrens statt. Nur die im Gesetz ausdrücklich genannten Gläubiger (vor allem Arbeitnehmer) haben Anspruch auf eine privilegierte Behandlung. Forderungen von einzelnen Personen oder Personengruppen können die Sachwalter wegen des gesetzlich vorgesehenen Gleichbehandlungsprinzips nicht einer Sonderbehandlung zuführen, unabhängig davon, welche Dringlichkeit der Behandlung aus Sicht des Gläubigers besteht.

 

Insbesondere besteht für den Schuldner ein absolutes Verbot Forderungen zu begleichen, die vor dem 31. Januar 2012 entstanden sind. Diese Forderungen unterliegen der Nachlassdividende und beschränken sich auf diese.

14. Wie werden die provisorischen Sachwalter für ihre Arbeit entschädigt?

Die richterliche Verfügung regelt die Berechnungsweise des Honorars. Die endgültigen Rechnungen sind vor der Bezahlung durch den Richter zu genehmigen. In Sanierungsfällen ist es üblich, dass der Schuldner den Sachwaltern für die Kosten ihrer Bemühungen einen Vorschuss leistet.

C. Fragen zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen provisorischen Sachwaltern und Geschäftsleitung des Schuldners

15. Welche Funktionen hat die Geschäftsleitung des Schuldners nach Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung?

Gemäss Verfügung des Richters ist es dem Schuldner erlaubt, die ordentlichen Geschäfte weiter zu führen, um den Wert des Vermögens möglichst zu erhalten. Ausserordentliche Geschäfte dürfen nicht getätigt werden.

16. Haben die provisorischen Sachwalter sich darum zu bekümmern, dass die Löhne des Personals bezahlt werden, Schadenersatz und Rückforderungsklagen angehoben werden usw.?

Primäre Aufgabe der provisorischen Sachwalter ist es, dem Richter die Entscheidungsgrundlagen für den definitiven Stundungsentscheid innerhalb von zwei Monaten zu liefern. Dabei kann man möglicherweise Geschäfte identifizieren, die anfechtbar oder nichtig sind und demzufolge geeignet wären, das Vermögen des Schuldners zu vergrössern. Zudem haben sie möglichst viele Werte des Schuldners für die Gläubiger zu sichern.

 

Die Anhebung von Prozessen gehört nicht zu ihren Aufgaben, es sei denn, dies wäre zur Sicherung des schuldnerischen Vermögens notwendig.

17. Welche Aufgaben haben die provisorischen Sachwalter bezüglich des Sozialplans?

Der Schuldner darf einen Sozialplan dann aufstellen, wenn er dazu vertraglich verpflichtet ist und dadurch keine Ungleichbehandlung von Gläubigern entsteht. Das SchKG sieht grundsätzlich keine Sozialpläne vor.

18. Haben die provisorischen Sachwalter Einfluss auf die Anzahl der Entlassungen?

Die Geschäftsleitung wird bei der Reorganisation der Geschäftstätigkeit des Schuldners berücksichtigen, dass ein erfolgversprechender Geschäftsplan für die Bewilligung eines Nachlassvertrags wichtig ist.

19. Was geschieht mit Mitteln, die von dritter Seite nach der Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung dem Schuldner zugeführt werden?

Der Schuldner kann die Forderungen der neuen Gläubigern mit freien Aktiven besichern, wenn er zur Auffassung gelangt, dass die Zuführung solcher Mittel im Gesamtinteresse aller Gläubiger liegt. Es ist dabei die Zustimmung des Nachlassrichters erforderlich.

 

Vincent Jeanneret

 

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